Die taz hat den Bezirksbürgermeister in Bothfeld-Vahrenheide, Dr. Wjahat Waraich, portraitiert. Hier können Sie es nachlesen.
Es war bereits sein zweiter Einsatz am polnisch-ukrainischen Grenzübergang Medyka, von dem Wjahat Waraich am vergangenen Freitag nach Hannover zurückkehrte. Als Ersthelfer für Geflüchtete war er dort. „Ich erachte es als meine Pflicht zu helfen – Wohlstand verpflichtet, zu Hause und global“, sagt Waraich.
Gesellschaftlichem Engagement verpflichtete er sich schon früh: Als der heute 35-Jährige während seines Medizinstudiums eine Klinik im Benin unterstützte, verwarf er seinen sorgfältig geplanten Entschluss, Kinderonkologe zu werden. Später reifte bei ihm als Assistenzarzt in Westafrika die Erkenntnis, dass Frauen diejenigen sind, die am allermeisten unter Armut leiden – er entschied sich, Gynäkologe zu werden, um den Schwächsten unter die Arme zu greifen. Die Promotion im Fachgebiet Onkologie war da schon geschrieben.
Auch wenn Frauen am Grenzübergang einen Großteil der Geflüchteten ausmachen, war die gynäkologische Behandlung nicht an der Tagesordnung. „Viele Menschen, die jetzt kommen, haben fünf oder sechs Wochen in Bunkern im Süden oder Osten der Ukraine ausgeharrt. Aber jetzt geht es einfach nicht mehr“, sagt Waraich. Entsprechend muss der Arzt sich hier um chronisch Herz- oder Lungenkranke, Diabetiker:innen und Schlaganfallpatient:innen genauso kümmern wie um traumatisierte oder psychisch kranke Menschen.
Zurück in Hannover schildert er diese Erlebnisse, die eines von vielen Erfahrungen seiner Arbeit bei der Hilfsorganisation „Humanity First“ sind, einfühlsam und detailliert. Seit mittlerweile 13 Jahren engagiert er sich dort. Die beiden Einsätze an der ukrainischen Grenze hat Waraich, dessen Eltern selbst vor religiöser Verfolgung aus Pakistan nach Deutschland flohen, während seiner privaten Urlaubszeit abgeleistet. Neben dem Beruf als Gynäkologe bleibt ihm kaum Freizeit, er arbeitet ehrenamtlich als Bezirksbürgermeister für die SPD in Hannovers größtem Bezirk Bothfeld-Vahrenheide. Dort ist er aufgewachsen und nachdem er als erster in der Familie Abitur und Studienabschluss ablegte, kehrte er auch dorthin wieder zurück.
Jetzt denkt er bereits an die anlaufende Integrationspolitik: Die solle, so hört man bei Waraich heraus, sachlich, aber nicht gefühllos gelingen. Anfangen müsse man etwa mit dem Bau neuer Schulen. Mit einem dauerhaften Wechsel in die Berufspolitik hält er es jedoch wie Genosse Müntefering: „Bezirksbürgermeister ist das schönste Amt neben dem Papst.“ Leopold Pelizaeus
Quelle: https://taz.de/Wjahat-Waraich-findet-Wohlstand-verpflichtet/!5847401/
Erschienen Print & Online: 29.04.2022